Wir haben ein Problem: Die Sache mit dem Rassismus
Immer häufiger fallen in den Klassenräumen unserer Schule antisemitische und rassistische Sprüche. Nur, dass das keiner mehr zu bemerken scheint. Es ist höchste Zeit, dass wir aufwachen.
Er stand am Fenster. Blickte hinunter in den Schulhof. Sagte, beinahe stolz: „Der Führer schaut über sein Reich“ Dann drehte er sich um, grinste und sagte, plötzlich ernst: „Heil Hitler“ Stille. Hatte etwa niemand die Aussage gehört, fragte sich Simon*. Doch seine Mitschüler unterhielten sich entweder einfach weiter oder schauten leicht genervt in andere Richtungen.
Und er ist nicht der Einzige, dem es so ergeht. Heutzutage scheinen solche Bemerkungen ganz normal geworden zu sein.
Rassistische oder antisemitische Sprüche, wie zum Beispiel „Heil Hitler“ oder „du Jude“ zu rufen, gehört schon seit langem zum Alltag an unserer Schule. Und obwohl wir den Kommentaren und Handlungen negativ begegnen, haben wir es schon lange aufgegeben, uns dagegen zu wehren oder überhaupt etwas zu sagen.
Es ist also so: Für die meisten von uns Schülern sind die Bemerkungen und Sprüche schon zu alltäglich und normal geworden, als dass wir zum tausendsten Mal noch etwas sagen würden oder uns überhaupt richtig darüber ärgern würden. Wir sind dazu übergegangen, den Wahnsinn zu ignorieren. Häufig haben wir außerdem richtige Angst uns zu widersetzen, denn in den meisten Fällen gehen die Aktionen nicht von einem einzigen Schüler aus, sondern von einer ganzen Gruppe. Und auch wenn ein Großteil der Schülergruppe die Aussagen häufig nicht unterstützt, steht er so meistens doch hinter dem Mitschüler.
Denn häufig dienen solche Aktionen oder Sprüche wie „Du Jude“ oder der Hitlergruß vor allem in mittleren Jahrgangsstufen dazu, sich vor Freunden zu beweisen. Antisemitische Sprüche sind ein Markenzeichen geworden. Und die Angst ist bei vielen von uns zu groß, nicht mehr gemocht zu werden, plötzlich der negative Mittelpunkt der Gruppe zu werden. Hinzu kommt auch, dass sich viele zwar äußerst rassistisch äußern, doch alles gar nicht so ernst meinen. Wenn dann da jemand ist, der sie anklagt, wird derjenige schnell zum Spielverderber oder er wird als albern bezeichnet, er übertreibe ja viel zu viel und nehme das alles viel zu ernst. Es sei doch nur ein Spaß, wenn sie die Finger an die Lippen legten, die Hand in die Höhe reckten und „Heil Hitler“ rufen würden. Alles nur Spaß und ganz normal.
Doch normal ist das Ganze eben ganz und gar nicht. Oder sollte es zu mindestens nicht sein. Darf es nicht sein. Und auch die Spaßgrenze ist hier schon seit langem überschritten. Denn das, mit dem sich unsere Mitschüler da bespaßen, ist sehr gefährlich.
In der zehnten Klasse nimmt man in Geschichte den Nationalsozialismus durch. Doch das ist meistens nicht das erste Mal, dass die Schüler mit dem Thema in Berührung kommen: Auch in den unteren Klassenstufen wird der Antisemitismus, der Judenhass, meistens durchgenommen. Die Schüler müssten also wissen, was damals Grausames passierte. In den Unterrichtsstunden herrscht dann auch meistens bedrücktes Schweigen, die allermeisten Schüler scheinen aufrichtig niedergeschlagen. Dennoch scheint der Unterricht ungenügend, das Thema scheint nicht mit der ihm gebührenden Tiefe behandelt zu werden. Sonst könnte es nicht vorkommen, dass in den Klassen schon nach wenigen Tagen wieder rassistische Bemerkungen fallen, wobei sich meist das Gelernte im negativen Sinne noch zu Nutze gemacht wird. Jedoch fragt man sich, wie weit man mit dem Unterricht noch gehen muss, wenn selbst der Besuch eines KZ- Lagers nicht mehr abschreckend genug ist, um solche Sprüche und Handlungen zu vermeiden.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Nur selten bekommen Lehrer die rassistischen Äußerungen überhaupt mit. Zwar komme es hin und wieder mal vor, dass ein Schüler ausländerfeindliche Aussagen im Unterricht mache, insgesamt hat aber zum Beispiel auch Herr Eichelberger, den Eindruck, dass wir eine sehr „offene Schülerschaft“ sind. Die aller meisten unserer Lehrer scheinen also gar nichts von dem Ganzen mit zubekommen und die Lehrer, die dann etwas mitbekommen, wissen meist wohl nicht, was sie tun sollen. Sie sagen vielleicht etwas dahingehend „so geht das aber nicht“ oder, noch schlimmer, sie schweigen.
Und doch ist es so wichtig, dass all dies aufhört, dass unsere Mitschüler zur Vernunft kommen, das Thema mit dem gebührenden Respekt und Ernst behandeln. Und es liegt an an jedem von uns etwas zu ändern. Wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen, schweigen, uns abwenden. „Man sollte jede Gelegenheit nutzen, solchen Äußerungen entgegen zutreten“, rät auch Herr Eichelberger. „Meist gelingt die Auseinandersetzung auf argumentativer Ebene, da gehen dem Gegenüber schnell die Argumente aus und er flüchtet sich ins Unsachliche.“ Auch sei es erst einmal sinnvoller sich als Schüler der Situation zu stellen, als sich gleich an einen Lehrer zu wenden, da diese das Geschehen schwer beurteilen können, da sie es nicht mitverfolgt haben (Wenn ihr allerdings merkt, dass ihr auf dem argumentativen Weg keinen Erfolg habt, könnt ihr euch natürlich auch an einen eine (Beratungs-) Lehrkraft wenden) Fasst euch also ein Herz, sucht euch Mitstreiter, gemeinsam werden wir ihr es schaffen, unsere Mitschüler von ihrem Unrecht zu überzeugen.
*ausgedachter Name
{Autor: Siri Ratjen}